Warum ich nicht mein Hobby zum Beruf gemacht habe
Was ich diesen Sommer statt Schreiben getan habe
Es war einer dieser Spätsommertage, an denen eine einfach sehr glücklich ist, in Schweden zu leben: Die Sonne kam gegen Mittag raus und tauchte alles in ein sanftes, hellblaues Licht. Das Wasser auf der Schärengarteninsel Vrångö, meinem Favoriten in der Inselgruppe im Süden Göteborgs, war erfrischend und doch von den raren Sonnenstrahlen des Tages etwas aufgewärmt. Der große Ansturm der Tourist*innen im Juli war im August inzwischen ein bisschen abgeebbt. Alles war perfekt, wie es war, und es war ein Montag, den ich mir gönnte, frei zu nehmen, weil ich zuvor einige Abende und Wochenenden durch gearbeitet hatte. Nichts lockte mich in ein Büro, die Stadtbibliothek oder den heimischen Schreibtisch. Auf der eineinhalb stündigen Fährenfahrt, die ich meinem Besuch zuliebe unternommen hatte, hatte ich genau gar kein Bedürfnis, mein mitgebrachtes Journal heraus zu nehmen. Ich kann mir nämlich schönere Sachen vorstellen, als zu schreiben: Schwimmen, wandern, Austausch, lachen, im Strandstuhl lesen, kochen, essen, Fika.
Versteht mich nicht falsch: Ich schreibe sehr gern, würde ich es nicht tun, gebe es weder diese Substack, noch hätte ich viel Geld, Zeit und Nerven in meine Ausbildung und den Aufbau meiner Selbstständigkeit in Schweden investiert. Aber es ist längst nicht so, dass ich mein Hobby zum Beruf gemacht hätte. Meine Hobbies, das sind stundenlang in einen Koiteich schauen, wandern, seit neustem Pflanzenableger aufpäppeln, Filme sehen, und allen voran schwimmen. Das Schreiben habe ich als Kind begonnen, und durch den Journalismus irgendwann in gewisser Weise in meinen Beruf eingebunden.
Doch die wirklich wichtigen Teile meiner Persönlichkeit, die ich zum Beruf gemacht habe, sind: Neugier, Entdeckerinnentum, Menschen kennen lernen, Fragen stellen, genau beobachten und einen Drang, den wohl alle Schaffenden in sich tragen: Das nach außen tragen. Reporterinnen-Sein ist der Job, in den ich mich erst auf den zweiten Blick “verliebt” habe, Schreiben ist meine Konstante, die wie bei vielen Autorinnen einfach im Laufe des Lebens mal zur lästigen Begleitung, mal zur Retterin wird. Aber meine große Liebe ist das unterwegs sein, die Begegnung, der Moment, in dem die Sonne genau richtig steht und das Wasser die richtige Temperatur hat.
Ich freue mich deshalb, in diesem Hochsommer (Juli und August) nicht viel geschrieben zu haben. Was ich stattdessen diesen Sommer tat:
In Dänemark Urlaub machen (in Korsø)
Einen Roman in einer Woche auslesen (“Dschinn” von Fatma Aydemir)
Freunde in Stockholm und Örebro besuchen
feststellen, dass vieles in Stockholm vielfältiger ist, es in Göteborg aber den besten Ramen gibt (und die schönste Stadtnatur!)
im Hafen von Göteborg schwimmen
mit einem Kind auf Besuch Sandburgen bauen
Den Barbie-Film mit einem Freund geschaut, genossen und nichts dazu publiziert
Bei Radio und TV-Produktionen mitwirken, vor und hinter der Smartphone-Kamera (letzteres zum ersten Mal!)
Redigieren und Fakten prüfen und sprachlich aushelfen
Planung beruflich und privat
Was ich über den September bereits verraten kann: Er wird intensiv. Und es wird wieder vielfältig: Ich werde recherchieren, schreiben, Menschen kennen lernen, zusammen etwas kreieren und vermutlich neue Dinge lernen. Die Details folgen.
Wie Tocotronic einst sangen: Im Blick zurück entstehen die Dinge, im Blick nach vorn entsteht das Glück.
Blick zurück
Geheimtipp aus meinem Urlaub: Odense in Dänemark. Dort habe ich im Juli das Hans-Christian-Andersen-Museum besucht. Ich hatte wenig Erwartungen an die Stadt und den Kulturort, und umso mehr wurden sie übertroffen. Im Museum wird der Mensch hinter dem Märchenerzähler aus Dänemark in Briefen, seinen Kunstwerken und anderen Zeitgeschichtsdokumenten erzählt. Der Andersen, den ich so neu kennen lernte, war ein Klassenaufsteiger, queer, jemand der Freundschaften priorisierte, sich für die Kinder seiner Freunde allerlei einfallen ließ, übers Reisen schrieb, und veröffentlichte, um zu reisen. Und wen es nicht lockt, mehr über diese Biografie zu erfahren, der kann sich an den liebevoll gestalteten Märchenkulissen erfreuen oder gutes Essen und gemütliche Gassen in Odense genießen. (Besuch privat und selbst bezahlt)
Ich habe den Salzwasserpool im Frihamn in Göteborg für Deutschlandfunk-Kultur besucht: Zum Beitrag in der Sendung "Echtzeit".
Der Kanal “ENTR de” von der Deutschen Welle hat in einem Video den Ursprung und die Reaktionen auf die Koranverbrennungen in Schweden und Dänemark für ein nicht im Norden lebendes Publikum erklärt. Ich habe dazu mit Video-Statements von jungen Menschen in Schweden beigetragen. Zum Video bei “ENTR.”
Blick nach vorn
Vom 19. bis 22. September findet in Göteborg die “Global Investigative Journalism Conference” statt. Ich freue mich sehr auf die Workshops und darauf, auch auf ein paar bekannte Gesichter aus Deutschland zu treffen! Und werde u.a. im Podcast von “Deine Korrespondentin” auch darüber erzählen.
Wer außerdem gerade zufällig einen Trip nach Göteborg plant, kann vom 31. August bis 2. September die Frihamns-Tage kostenlos besuchen. Workshops, Panels und Diskussionen sollen den öffentlichen Ort zu einem Platz der Demokratie machen. Mehr Informationen hier: Zum Datum und Programm der Frihamns-Tage.
Am 1. September hat “Orlando” von der Schaubühne Berlin in Göteborg Premiere. Das Stadttheater hat mich eingeladen und ich bin sehr gespannt auf eine deutsche Produktion Virginia Woolfs in Schweden.
Frage an die Community:
Ich gebe hin und wieder Menschen Tipps per Sprachnachricht und in Instagram-DMs. Ausführliche Einblicke in meine Auswanderung mit individuellen Tipps dazu, die über die öffentlichen Beiträge hinaus gehen, erhalten zahlende Abonnent:innen per digitalem Fika.
Ich hatte überlegt, ein paar der Tipps, die ich privat weiter gegeben habe, hier zum Guide oder Beitrag aufzubereiten, damit alle etwas davon haben. Schreibt gern in die Kommentare, welches Thema euch am meisten interessieren würde (Zahl reicht auch):
Vegane Restaurants und Insider-Tipps aus Göteborg
Beste Orte am Wasser zum Paddeln und Schwimmen
Wie sicher fühlen sich Menschen in Schweden gerade?
Ich freue mich wie immer, von euch zu hören!
Insider-Tipps aus Göteborg fände ich interessant.
Oh, freu dich auf Orlando, die Inszenierung ist super!