Ich spüre die Schweißtropfen endlich von meinen Nackenhaaren auf die Schultern tropfen. Es ist warm und um mich herum sind Stimmen, die von ihren Erfahrungen mit Geburten erzählen, wenn sie zwei Kinder haben, von Freund:innenschaften, die am Unverständnis zueinander zerbrechen, über das krank geschrieben sein, oder das Arbeiten bis kurz vor Schluss, weil eine am Laptop sitzt. Das ist mein “Bada Bastu”, das einfach nur saunieren heißt:
Bei moderaten 60 Grad hatte die Sauna im Schwimmbad, in dem mein Aqua-Schwangerschaftsgymnastikkurs stattfand, nicht viel gemeinsam mit Bildern von hölzernen Fasssaunen in romantischen, skandinavischen Landschaften. Nichts mit der Kulisse, mit der die Band Kaj, am Samstag beim Eurovision-Song-Contest die Sauna auf die Bühne gebracht hat. Diese existieren tatsächlich auch, auch ich kenne sie von innen, aber wer Schweden verstehen will, muss verstehen, dass “bada bastu” (saunieren) hier nicht Wellness und me-time ist, sondern Alltag und soziales Miteinander. So gut wie jedes öffentliche Schwimmbad hat mindestens eine Sauna, in der auch schon die Kleinsten von den Müttern nach dem Frühschwimmen mitgenommen werden. Es ist meiner Erfahrung nach nirgendwo in Schweden ohne Alkohol so leicht, mit Fremden ins Gespräch zu kommen, wie in der Sauna. Die hölzernen Schwitzräume grenzen an die Duschen an und haben somit wenig gemein mit den gemischten Wellnesslandschaften in Deutschland, die eine sich leisten können muss.
Mit dem 6 Euro Eintritt ins Schwimmbad kauft man die Sauna-Flatrate gleich mit. Und den sozialen Kontakt, den so viele Neuankömmlinge vermissen, wenn sie nach Schweden ziehen.
Die Stimmen der nackten, schwitzenden Frauen begleiten mich später, als ich alleine im Wochenbett liege, fernab meiner Familie. Nicht wirklich allein, sondern mit einem Neugeborenen, das noch zu schwach ist, sich ausführlich bemerkbar zu machen. Es ist wahrscheinlich eine gute Idee, sich diese volle Dröhnung soziale Nähe noch einmal zu geben, bevor eine in die einsamste Zeit des Eltern werden eintritt.
Wieder ins Wasser finden
Ende Februar 2025. Mein Sohn ist fast eins und ich gehe schwimmen. Etwas unbeholfen müssen sich meine Oberarme, die 11 Monate gehoben, schaukelt, gestillt und gefüttert haben, Hände, die seit zwei Monaten wieder tippen und ein Rücken, der sich wieder krumm macht, wieder ihren Weg ins Wasser bahnen. Sich meinen Körper wieder zu eigen machen. Um ihn danach in der Sauna wieder einfach sein zu lassen. Keine guckt nach links und rechts. Manche bringen Kaffee mit. Essen und trinken ist eigentlich in der Sauna verboten, doch das stört keine. In den Kaltwasserpool kann ich mich ungestört alleine stürzen, die meisten verzichten auf diese Art der Selbstkasteiung.
Ich denke an mein altes Ich, das mal dachte, um sich selbst Wellness zu gönnen, müsste eine viel Geld verdienen. Wer sich nicht mit dem öffentlichen Schwimmbad begnügen will, kann an der Küste auch in einen Saunaverein eintreten und bekommt den Sprung ins kalte Meer danach dazu. Sauna in Schweden ist der Alltagsluxus, der in diesen Zeiten halb so viel kostet wie ein Lunch. Und “bada bastu” so vielleicht der Sound zur Krise.
Woran ich gerade arbeite
Was mit Sprachen und mal wieder dem ganz hohen Norden eines skandinavischen Nachbarns
Von mir zu hören
Tanz in den Mai auf Schwedisch - Walpurgis gehört den Studierenden
Bald zu lesen
Text zu Rechtsruck und Gleichberechtigung bei “Deine Korrespondentin”.
So schön wieder von dir zu lesen! :) ich wünschte hier gäbs eine ähnliche sauna kultur…