Let’s occupy Hochkultur in Oslo
Warum die norwegische Hauptstadt Oslo mein Herz als Stadtsoziologin höher schlagen lässt
Geplante Hafenstädte haben einen schlechten Ruf. Als ich 2019 nach Göteborg zog, überraschte es mich, dass der Stadtteil Hissingen an der Göteborger Älv sich bei Student_innen, Tourist_innen und Anwohnern großer Beliebtheit erfreut. Hier in Skandinavien habe ich die Planstadtteile am Wasser als inklusive, oft barrierefreie Zentren lieben gelernt. Wenn nach den dunklen Wintermonaten endlich die Sonne von sechs Uhr morgens bis zehn Uhr abends scheint, sitzen die Menschen mit einem Kaffee in der Hand in Göteborgs Hafenstadt am Ufer. Und in Oslo? Da liegen viele Menschen in der Pause oder nach Feierabend direkt vorm Opernhaus, auf grünen Wiese nahe der ehemaligen Industrieareale oder Stand-Up-Paddeln auf dem Oslofjord.
Das Opernhaus, eigentlich ein Ort der Hochkultur, ist ein imponierendes Gebäude, eine moderne Beton-Glas-Architektur, in der sich das Wasser spiegelt. Doch das spektakuläre ist die Weitläufigkeit, in die die einzelnen Ebenen drum herum mit Strandpromenade und Wohnhäusern verschmelzen.
Mein Freund und ich haben an diesem Wochenende keine Tickets fürs das Opernhaus. Danach ist uns an diesem ungewöhnlich warmen Frühlingstag auch absolut nicht zumute, denn es ist schwer, sich von der weitläufigen Strandpromenade, dem glitzernden, blauen Wasser und den urbanen Landschaften, die auf mehreren Ebenen ineinanderfließen, zu lösen.
Es ist auch nicht unbedingt nötig, die 18 Euro Eintritt für das Munch-Museum zu bezahlen, denn vor dem Haus befindet sich eine Outdoor-Fotoausstellung über das Bild des Jahres 2022. Und auf dem Spielplatz nahe des Strandes, spielen Kinder, während andere im Oslofjord schwimmen und paddeln. Sollte es tatsächlich gelungen sein, hier im Norden eine Innenstadt für alle zu planen?
Zumindest eine Stadt, in der sich Passant_innen und Einheimische wohlfühlen, ohne Geld ausgeben zu müssen. Besonders sympathisch finde ich, dass einige Bars und Biergärten in Oslo ausdrücklich erlauben, dort mitgebrachtes Essen zu verzehren. In Schweden schreibt das Gesetz vor, dass Alkohol nur ausgeschenkt werden darf, wenn auch etwas zu essen auf der Karte steht. Oslo ist teuer, aber ich hatte es tatsächlich noch teurer erwartet – es sind umgerechnet ein paar Euro mehr als in Schweden, dafür verdienen die Leute aber auch mehr. Der Durchschnitt lag im Jahr 2020 über 500 Euro mehr im Monat. Der Unterschied war vor einigen Jahren jedoch noch deutlich größer.
Es lässt sich heraus hören: Oslo hat mein Herz im Sturm erobert. Eine Betonlandschaft rund um einen Ort der Hochkultur hätten Zentrum, Bahnhof, Oper und Fjordstrand zu einem Nicht-Ort aus Beton werden lassen können – doch die Menschen haben sich den Raum genommen, mit Hilfe der klugen Planung von Spielplätzen, Sandstrand und Bänken und Tischen. In Seitenstraßen gab es wunderschöne alte Fabriken zu entdecken.
Übernachtet haben wir in einem AirBnB in Innenstadtnähe, in einem praktischen Neubau umringt von kleinen Holzhäusern und einer großflächigen Parkanlage. Die Hauptstadt Norwegens ist definitiv eine Wochenendreise wert!
Wo ich aß: Unter anderem bei King Falafel. Dieser unscheinbar wirkende Imbiss ist ein echter Geheimtipp! Frisch zubereitet, voller Kräuter, leckerem Hummus und himmlischem Baba Ganoush – Etwa neun gut investierte Euro, von denen ich keinen einzigen bereue.
Wo ich in der Sonne lag und man Essen mitbringen kann: Unter anderem bei Fyrhuset Kuba.
Wo ich Kaffee trank: Kaffeebrenneriet – ausgerechnet eine norwegische Kaffeekette hat es mir angetan. Psst, ich fand den Cappuccino sogar besser als in Schweden! Preis: Rund 4 Euro, das heißt Starbucks ähnlich, aber besser!
In eigener Sache:
Danke! <3 Dieser Newsletter wurde gar nicht mit dem Ziel einer Monetarisierung gegründet. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass seit November einige von euch mir jeweils ein bis drei Kaffees spendiert haben! Danke an dieser Stelle an Melanie, Uwe, Hamid, Lilly, Andreas, Elli, und Mirja! Eure Unterstützung motiviert mich sehr, das Projekt voranzutreiben und es tut sehr gut, zu wissen, dass euch meine Arbeit etwas wert ist.
Und auch an euch andere, die unter meinem Newsletter auf LinkedIn und Instagram diskutieren, ihn weiterleiten, empfehlen und in ihren Stories teilen: Dieser Support ist auch sehr wertvoll und ich sehe euch, vielen Dank! Ich denke hier zum Beispiel an die KollegInnen vom Läget-Podcast und Autorin Bianca Jankovska vom Magazin groschenphilosophin.at, aber auch viele andere wie zum Beispiel Verkehrs- und Mobilitätsexpertin Maria Schnurr und Social-Media-Beraterin Steffi Treude.
Transparenz: Aufmerksam gemacht hat mich eine Userin auf Instagram auch auf einen Fehler, den ich im Blog behoben habe, aber der in der Mail passiert ist. In der letzten Ausgabe, im letzten Absatz muss es richtig heißen: „Und das kann Deutschland von Schweden lernen: Es ist nie zu spät, noch einmal etwas zu studieren, wenn es Unterstützung für die Finanzierung gibt. Gleichberechtigte Elternzeit muss man sich leisten können, und wenn sie zur Gewohnheit wird, akzeptiert sie auch der Arbeitgeber. Kein Job ist es wert, keinen Raum für Freizeit zu lassen. Lieber einmal mehr als zu wenig Kaffeepause machen. Ok, das letzte ist ein bisschen Klischee, aber man soll ja niedrigschwellig anfangen.“ In der E-Mail schlug der Fehlerteufel zu und dort stand fälschlicherweise „Und das kann Schweden von Deutschland lernen“. Sorry…
Tipp der Saison
Nachdem ich mich den ganzen Winter über davor gedrückt habe, habe ich endlich das erste Bad des Jahres hinter mir, sogar mit Sauna danach bei Vann in Bohuslän. Wenn ihr das Kaltbaden einmal ausprobieren wollt, dann ist jetzt der beste Zeitpunkt dafür. Nehmt euch am besten warme Klamotten mit, die ihr euch danach sofort anzieht, wenn ihr nicht gerade eine Sauna in der Nähe habt. Der Trick ist: Nach dem ersten Schock regelmäßig weiteratmen.