Als ich diesen Newsletter am Dienstag, 18. Februar, 10.30 Uhr, beginne zu schreiben, beschäftigt mich vor allem eine Frage: Kommen sie denn noch? Noch nie habe ich so sehnsüchtig auf Post gewartet, wie vor dieser vorgezogenen Bundestagswahl 2025. So genannte Auslandsdeutsche wie ich, also Deutsche, die nicht mehr in Deutschland leben, aber entweder qua Staatsbürgerschaft oder durch einen nachweislichen Bezug zu Deutschland noch das Wahlrecht in Deutschland haben, können bei der letzten Gemeinde, bei der sie gemeldet waren, einen Antrag auf Briefwahl stellen. In meinem Fall ist das noch immer eine Gemeinde einer kleinen Großstadt in Ostdeutschland. Mit der Strecke bin ich doch noch vergleichsweise eine der Nachbarinnen unter den Auslandsdeutschen. Was soll also schon schief gehen? Gehen wir mal zurück zum…
31.1.2025, 10.01: Den Antrag habe ich fristgerecht per E-Mail gestellt, wow, dachte ich noch, dass das jetzt so möglich ist. In Schweden ist es jedes Mal eine ungewohnte Handlung, drucken, unterschreiben und per Post schicken zu müssen. Doch netterweise gestand das Wahlamt vor Ort es mir zu, meinen ausgefüllten und unterschriebenen Antrag per E-Mail zu schicken, ich sparte mir also den Weg zur Post. Und wartete.
18.02.2025, 11 Uhr: Als um mich herum dann nach und nach die Briefe an die anderen in der deutschen Community in Göteborg eintrafen, aus München, Bamberg, Berlin wurde ich dann doch stutzig. Zusätzlich las ich dann noch die deutsche Berichterstattung rund um die Probleme mit der Wahl der Auslandsdeutschen, und den Fall einer in Norwegen lebenden Übersetzerin, bei der sich heraus stellte, dass ihre Gemeinde den Brief noch gar nicht verschickt hatte, rief ich dann doch mal bei meiner an. Und tatsächlich, mein Antrag wurde nicht fertig bearbeitet. “Irgendwo, bei der Digitalisierung, ist da irgendetwas hängen geblieben”- Die nette, und zerknirschte Frau am Telefon konnte mir nur noch anbieten, ihn per Express zu schicken. “Dann kann ich ihn noch einer Bekannten, die auf die Kielfähre steigt, mitgeben, um ihn pünktlich, wie von der Post empfohlen, Donnerstag in Deutschland einwerfen zu lassen”, dachte ich, glücklich im Unglück.
19.02.2025, 8 Uhr: Heute zwischen 8 und 17 Uhr soll ich zuhause sein, um das Einschreiben in Empfang zu nehmen, das mir endlich meine Wahlbriefunterlagen bringt. Ich habe sogar vom Wahlamt einen Tracking-Link bekommen. Und dort steht plötzlich: Der Brief ist in Oslo. Und es gibt eine Abweichung. Ich rufe beim DHL-Kundenservice an. Aufgrund einer Flugzeugverspätung wird der Brief heute nicht mehr weiter verschickt. Gar nicht mehr. Der nächste Truck käme erst 8 Uhr abends. Man könne mir nur anbieten, am nächsten Tag zwischen 10 und 14 Uhr zuhause zu sein, dann komme er garantiert… Ahhhh… Ein weiterer Arbeitstag mit Baby im Hintergrund, auf die Möglichkeit zur Wahl wartend. Die Kielfähre fährt also wieder ohne meinen Brief ab. Läuft bei mir. Und wie soll dieser Brief bloß noch nach Deutschland? Ein Einschreiben aus Schweden kostet rund 20 Euro. Doch das war mir meine Wahl wert.
20.30 - Ich bekomme eine alles verändernde SMS einer weiteren Bekannten: - Sind zufällig deine Wahlunterlagen auch noch nicht da? Morgen fährt noch eine Person nach Kiel, der können wir unsere Unterlagen noch mitgeben. - Ein Lichtblick! Oh man, ich habe aber ausgerechnet morgen Termine zwischen 11 und 14.30, aber danach… - Dann muss es aber schnell gehen!
Jo, kriegen wir irgendwie hin, das ist ja eh mein Lebensmotto.
20.02.2023 7:30 Uhr: Warum ist der Brief denn jetzt in Kopenhagen? Naja, unter dem Tracking-Link steht immer noch, dass das Einschreiben heute zwischen 10 und 14 Uhr ankommen soll, ich will das jetzt nicht mehr hinterfragen, warum der Brief aus dem zum Greifen nahen Oslo nochmal weiter südlich nach Dänemark kam. Heute sieht die Welt schon besser aus, ich kann den Brief doch einfach meinem Partner in Elternzeit zum Babyspaziergang mitgeben. Dann müssen die beiden leider auch auf den Kurier warten, aber sie haben im Moment halt weniger Termine als ich.
12:15 Uhr Inmitten eines Calls, um 12:15 kommt der Kurier. Erleichterung macht sich breit. Meine Bekannte und ich haben beschlossen, den Brief nach zu frankieren, sodass er am Freitag innerhalb Deutschlands per Einschreiben verschickt wird. Jetzt macht der Drucker nicht mit, doch meine Bekannte druckt in der Bibliothek, unserem Segen Skandinaviens (siehe unten in der Linksammlung). Mein Termin geht bis 12.55, ich wähle geheim beim Suppe essen, während mein Partner das Baby im Nebenzimmer windelt.
13.54 Uhr: Endlich sind die beiden aus dem Haus und ich kann wenigstens den letzten Termin des Tages ungestört wahrnehmen. Ob der Brief ankommt, liegt nun nicht mehr in meiner Hand.
15.54: Nachricht meiner Bekannten mit Tracking-Link. Nun habe ich wirklich alles in meiner Macht stehende getan, inklusive Arbeit im Home-Office, meinem Endgegner seit ich Mutter geworden bin. Ein Hoch auf die deutsche Community! Hat sich jemals jemand gefragt, warum Landsleute sich in anderen Ländern miteinander verbinden, hier ist eine der möglichen Antworten.
Was es sonst in letzter Zeit von mir Neues gab:
Hast du dich gefragt, wo ich die letzten 14 Monate gesteckt habe? Ich war zunächst acht Monate in Elternzeit und die restlichen sechs habe ich erst vorgearbeitet und musste dann erst mal wieder einsteigen. Ab jetzt gibt es aber regelmäßig wieder eine Kolumne hier!
Und woanders kannst du hier von mir weiterlesen, beziehungsweise hören und schauen:
Alle mal reinkommen! Skandinaviens neue Bibliotheken
Über die Situation von Alleinerziehenden in Deutschland und Schweden habe ich mit Milena Glimbovski für Deine Korrespondentin und Göteborgs-Posten gesprochen:
Zwischen Hort, Laptop und Kettensäge - DEINE KORRESPONDENTIN
Ensamstående tyskar flyttar till Sverige för att de gillar barnomsorgen | Göteborgs-Posten
Triff Faktum-Chefredakteurin Sarah Britz und lerne etwas über die unsichtbare Wohnungslosigkeit in Schweden
Mit Hochglanz auf der Straße - DEINE KORRESPONDENTIN
Und wenn du dich gefragt hast, was das da oben heute für ein Screenshot ist: Höre mich auf Schwedisch im schwedischen Frühstücksfernsehen sprechen:
Am kommenden Dienstag, 25. Februar, noch nichts vor? Dann melde dich doch für die kostenlose Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung an: