Hej ni dumma tyskar!
Wenn Schweden ihre Toiletten-Häuschen an Deutsche vermieten - Ein Gastbeitrag von Groschenphilosophin Bianca Jankovska
In einem Gastbeitrag schreibt Autorin und Podcasterin Bianca Jankovska (30) über unverschämte Angebote. Tipps, wie der Schwedenurlaub doch noch gelingt, erfahrt ihr am Ende.
Gleichmal vorweg, bevor mir gleich jemand eine bitterböse E-Mail schickt: ich liebe Schweden. Seit fünf Jahren fahre ich regelmäßig in das Land der Käsetuben und cremesahnelastigen Kartoffelsalate. Ob East- oder Westcoast – mir egal. Hauptsache, es gibt folgende drei Zutaten: Nationalparks, Archipelagos und eine gemütliche Cabin, in der ich mich nach wanderreichen Tagen in der Kälte einmummeln kann.
Zum Glück konnte ich mir Schweden über die letzten Jahre mit Locals meines Vertrauens erarbeiten. Sonst wäre ich vielleicht auch auf das eine oder andere „Toilettenhaus“ reingefallen, das die gutherzigen, sozialistischen Schweden auf AirBnB ohne fließend Wasser für den Preis eines zweiwöchigen All-Inklusive-Urlaubs auf Gran Canaria einstellen.
Schweden, das ist für viele Deutsche eine Bullerbü-Fantasie ohne Regeln und Kommerz, ein weites Niemandsland, in dem keiner absperrt und die Kinder auf der Straße spielen. Doch selbst, wenn das stimmen mag – gutherzig und sozialistisch angehaucht sind die meisten Grundbesitzer nicht so …. ganz. Merkt man auch, wenn man mal einen Blick auf AirBnB wirft. Denn was dort so alles als „nettes Häuschen“ an Gäste aus dem kontinentalen Mitteleuropa vermietet wird, wäre in der Kategorie „Nice Place to stay“-Award irgendeines Reiseanbieters sicherlich durchgefallen.
Wo anfangen?
Was mich aufregt, ist die Dreistigkeit mit der noch so jede heruntergekommene Bruchbude in Skåne als „happy cozy cabin“ gebrandet wird. Man gibt den Deutschen eben, was sie hören wollen. Je näher am Wasser, desto teurer – auch far off season bei -17 Grad. Frei nach dem Motto: Irgendwer wird’s schon zahlen. Auch mit Basic IKEA-Einrichtung.
Letztens habe ich eine Hütte von 20 qm irgendwo links von Malmö gesehen, die 700 Euro pro Woche kostete. Meistens sind solche „Hütten“ übrigens gar keine echten Ziegelstein-Häuser, wie „wir“ sie kennen, sondern im schlimmsten Fall Papp-Gewächse, die sich neben der eigentlichen Hauptvilla der Vermieter befinden. Unter „Guesthouse“ geführt, handelt es sich um nichts anderes als spärlich renovierte Gartenhütten aus dem vorherigen Jahrhundert, die sich jetzt neuer, zahlender Gäste erfreuen, statt bloß den Rasenmäher zu hüten.
Während ich zu Beginn meiner Schweden-Reisen noch nicht so stark darauf geachtet habe, was sonst noch auf dem Grundstück steht, ist es der Faktor „Ganze Unterkunft für dich alleine“ zum Must geworden. Nicht, weil ich grundsätzlich nicht teilen kann, sondern weil mir das Machtgefälle in einer Welt wie unserer immer mehr bewusst wird. Nein, Glenn, ich möchte also nicht in deinem umgebauten Klo-Haus ohne Isolierung schlafen, das du selbst nicht mal als Wohnungsloser beziehen würdest – und dir auch noch dabei zusehen, wie du morgens und abends fröhlich aus dem Fenster winkst, weil ich dir gerade den Sprit für deinen Scheiß-SUV bezahlt habe.
Was also machen?
Wer nicht von opportunistischen Boomern oder Früherben abgezockt werden möchte, die sich mit der Abstellkammer am Hof ihrer Eltern eine Zweitwohnung in Göteborg finanzieren, der muss: recherchieren. Recherchieren. Recherchieren. (Oder mich fragen.)
Meine Tipps: Freistehende Häuser, statt „Guest Cabins“ anvisieren. Auch mal bereit sein, eine Stunde weiter nördlich zu fahren, als geplant. Auf gar keinen Fall buchen, wenn auf einem Grundstück gleich vier oder fünf Häuschen vermietet werden – dabei handelt es sich oft um alte, privatisierte Campingplätze ohne Privatsphäre. Nicht rund um Stockholm oder Göteborg oder Malmö buchen, wenn man bezahlbare Silence möchte, sondern lieber bei Städtchen wie Mellerud, Grisslehamn, Strömstad oder Örnsköldsvik schauen.
Eine Woche in einem alleinstehenden Haus am Meer mit zwei Zimmern, funktionierender Küche, Badewanne und drei Betten gibt es auch schon für 450 Euro pro Woche. Ich suche meist länger, aber finde meist doch noch in jeder Region auch jene Schweden, die Verantwortung für die Immobilie übernehmen, die sie – auf welchem Wege auch immer – erworben haben.
Die einen fairen Preis anbieten, der sich mit den ohnehin teuren Lebensmittelkosten des Landes verträgt und sich nicht an den gutgläubigen „I love Sweden“ Touristen bereichern.
In diesem Sinne: Hej då och vi ses snart i Sverige.
Meine drei Lieblings-AirBnBs, falls jemand für den Sommer buchen möchte:
Für ein verlängertes Wochenende: Charming house at Skåne-Tranås on Österlen
Für einen Freundes-Trip: Amazing home in Älgarås with WiFi and 2 Bedrooms
Bianca Jankovska ist Gründerin des Blogs “groschenphilosophin”. Mittlerweile ist groschenphilosophin ein Magazin. “Und zwar das erste deutsche medienwissenschaftliche Pop-Magazin, das ausschließlich von Frauen unter 35 geschrieben und gedacht wird”, heißt es im Selbstverständnis. Für Steady-Mitglieder gibt es exklusive Beiträge und den privaten Podcast von Bianca. Für alle gibt es frei zugänglich den Podcast “Death, Taxes and neglecting my fitness” zu hören, überall da, wo es Podcasts gibt. Ich war zum Thema Schweden und “Vitamin B” schon in beiden zu Gast.